Besteht eine Dysbalance bei der Muskulatur im Mund-Gesichtsbereich, das heißt von Lippen, Wangen und Zunge, wird dies als orofasziale Störung bezeichnet. Beschränkt sich das Ungleichgewicht auf die Muskulatur des Mundes und führt dort zu einer geringeren Spannung, handelt es sich um eine myofunktionelle Störung (MFS). Davon betroffene Kinder, Jugendliche oder Erwachsene haben dadurch, dass ihre Zunge nicht in der Ruhelage verbleiben kann, starke Schwierigkeiten beim Schlucken und erlernen ein falsches Schluckmuster. Sie drücken ihre Zunge vermehrt, auch beim Sprechen, gegen oder zwischen die Zähne. Diese Krafteinwirkung, die bis zu 2000 Mal pro Tag erfolgt und einem Druck von fast 5 Kilo entsprechen kann, geht langfristig mit Zahn- und Kieferfehlstellungen einher.
Die Entwicklung dieses muskulären Ungleichgewichts kann durch verschiedene Risikofaktoren begünstigt werden. Dazu können schon Störungen während der Embryonalzeit oder Komplikationen bei der Geburt, wie eine Frühgeburtlichkeit oder ein Sauerstoffmangel, gehören. Im Kleinkindalter sollte zur Prävention eine Ernährung mit einer Flasche mit zu großem Saugerloch oder zu kleiner Lippenauflage und das Trinken aus Schnabeltassen vermieden werden. Falls möglich, sollte die Stillzeit nicht zu kurz ausfallen und das anschließende Füttern mit Flüssig- und Breinahrung zeitlich begrenzt sein.
Weiterhin ist es wichtig, Gewohnheiten wie dem Lutschen an Schnuller oder Daumen sowie dem Nägelkauen entgegenzuwirken. Ansonsten könnten Lippen- und Zungenruhelage sowie der Schluckablauf falsch erlernt werden. Auch bereits bestehende Fehlstellungen von Kiefer oder Zähnen und eine Mundatmung durch langanhaltende Einschränkungen der Nasenatmung können zu Myofunktionellen Störungen führen. Dies stellt einen Teufelskreis dar, da die offene Mundhaltung wiederum die Anfälligkeit für neue HNO-Erkrankungen erhöht. Risikofaktoren stellen zudem Syndromerkrankungen wie Morbus Down und das Pierre-Robin-Syndrom, Störungen der zerebralen Bewegung und taktilen Wahrnehmung sowie unphysiologische Körper- und Kopfhaltungen dar. Sollten diese Einschränkungen und Störungen auftreten, ist eine frühzeitige ärztliche Behandlung wichtig, um einer Myofunktionellen Störung vorzubeugen.
Neben den zuvor genannten Ursachen, gibt es weitere Anzeichen, die auf eine Myofunktionelle Störung hindeuten können:
Die Behandlung einer myofunktionellen Störung besteht aus verschiedenen Bausteinen und wird individuell an den Patienten angepasst. Dabei erfolgt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Diagnosestellung, an der HNO-/Zahnarzt, Kieferorthopäde, Pädiater, Physiotherapeut und Logopäde beteiligt sein können.
Ziele der Therapie sind eine Anregung der oralen Wahrnehmung und Sensibilität, die Verminderung schädlicher Verhaltensmuster, das Erlernen von physiologisch richtiger Bewegung und von Nasenatmung. Dazu werden die Lippen- und Zungenruhelage sowie der Mundschluss durch Muskelfunktionstraining trainiert, um auch das Schluckmuster zu verbessern. Bei Bedarf ist eine begleitende Artikulationstherapie möglich. Im Bereich der Logopädie werden dazu Pustespiele, Ansaugspiele, Trinken mit dem Strohhalm für das orofasziale Gleichgewicht und Finger- und Bewegungsspiele für die Körperwahrnehmung eingesetzt.
Kieferorthopädische Behandlungen sollten ebenfalls während der Myofunktionellen Therapie oder schon im Vorfeld durchgeführt werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Wichtig ist, dass auch nach dem Abschluss der Therapie eine regelmäßige Kontrolle der Ergebnisse erfolgt. Denn um einen dauerhaften Mundschluss und ein korrektes Schluckmuster beim Essen und Trinken zu gewährleisten, müssen die neu erlernten Bewegungsmuster Teil des Alltags werden.
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